29 January 2025
28.–30. Mai 2026, Rittersaal des Bischöflichen Schlosses zu Chur.
Die Universität Zürich lädt Kolleginnen und Kollegen und insbesondere Forscherinnen und Forscher aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs zur Bewerbung um Kurzvorträge (20 Minuten) im Rahmen von Panels ein. Kurzvorträge können in deutscher oder englischer Sprache gehalten werden.
Gemeinhin gilt die christliche Mystik als ein Phänomen, das in einer mehr oder weniger grossen Spannung zu den offiziellen, dogmatisch wie liturgisch kodifizierten Formen der Glaubenslehre und der Frömmigkeitspraxis steht. So führt das für die Mystik typische Bewusstsein der unmittelbaren Einheit mit Gott nicht nur zu einer legitimen Verinnerlichung und Individualisierung der Gottesbeziehung, sondern geht nicht selten auch mit einer Relativierung, wenn nicht sogar Ablehnung der äusseren, institutionalisierten Wege der kirchlichen Heilsvermittlung Hand in Hand. Es ist daher kein Zufall, dass die mittelalterliche Mystik des deutschen Sprachraums (auch «Rheinische Mystik» genannt), namentlich in Gestalt ihres prominentesten Vertreters Meister Eckhart, von der protestantischen Kirchengeschichtsschreibung seit dem 19. Jahrhundert als Wegbereiterin der Reformation angesehen wurde.
Die Gründe dafür erscheinen zunächst einmal nachvollziehbar, denn das für die Mystik prägende Glaubensverständnis besitzt beträchtliche Schnittmengen mit dem reformatorischen Gedankengut: Die Vorstellung einer von den religiösen Vollzügen des Menschen abhängenden Werkgerechtigkeit wird dabei ebenso abgelehnt wie ein übertriebener Heiligen- und Reliquienkult sowie all jene Frömmigkeitsformen, die mehr auf äusserliche rituelle Vollzüge als auf innere Umkehr abzuzielen scheinen. Auch der Gebrauch der Volkssprache zur Artikulation mystischen Gedankenguts ist ein Motiv, das Luthers Anliegen einer volkssprachlichen Bibelübersetzung und Glaubensunterweisung vorwegzunehmen scheint. Dieses Bestreben, die deutschsprachige Mystik zur Konstruktion einer konfessionellen Identität heranzuziehen, ist jedoch nicht unproblematisch, da es über der Betonung der zweifellos vorhandenen Gemeinsamkeiten von mystischem und reformatorischem Gedankengut die ebenso erkennbaren Unterschiede vergisst. Überdies wird aus der Perspektive der deutschen Kirchengeschichtsschreibung in aller Regel nur auf die Beziehung Luthers zur Tradition der deutschen Mystik abgehoben und die Frage nach dem Verhältnis zwischen der mittelalterlichen Mystik und der reformatorischen Theologie in anderen Ländern ausklammert.
Die Tagung stellt sich die Aufgabe, diese Engführung in der Mystikforschung zu korrigieren, indem sie die komplexe Beziehung zwischen der spätmittelalterlichen Mystik und der Reformation im helvetischen Kontext in den Mittelpunkt stellt.
Bildrechte: Bistum Chur