Die ersten Bildnissen von Heiligen der Frühen Neuzeit

09 January 2021

Porträtähnlichkeit in nachtridentinischer Zeit, von Nina Niedermeier

Die nach dem Konzil von Trient wieder aufgenommene Heiligsprechungspraxis sah sich in den Jahrzehnten um 1600 mit der Selbstinszenierung neu aufstrebender Orden konfrontiert, zu deren Ambitionen es gehörte, ihre Gründerpersönlichkeiten als Heilige zu etablieren. Die zeitliche Verdichtung von Todeszeitpunkt und Heiligsprechung sowie die rasch in Gang gesetzte Bilderverbreitung veränderte den Anspruch an Porträtähnlichkeit grundlegend.


Anhand einer Auswahl von etwa zehn Ordenspersönlichkeiten untersucht Nina Niedermeier die Strategien der neuen Orden, die Ähnlichkeit der ersten Porträts ihrer Prozesskandidaten zu begründen. Die demütige Weigerung der später Kanonisierten, sich porträtieren zu lassen, übte in dem Maße Einfluss auf die frühe Porträtanfertigung aus, dass die ersten Porträts vorgeblich auf zwei Weisen entstanden: als posthumes Bildnis und als zu Lebzeiten heimlich angefertigtes Bildnis. Für die Beglaubigung der Ähnlichkeit dieser Bilder spielte das Erinnerungsbild eine zentrale Rolle, das ehemalige Vertraute der Heiligen als wichtigste Information während der Anfertigung und für die Beurteilung der ersten Bildnisse einsetzten. Die Unschärfe der Erinnerung sicherte den Bedarf an Flexibilität in der Bildnisfrage und gewährleistete die Angleichung der ersten Bildnisse an zeitgemäße Erwartungen, wie ein Heiligenporträt auszusehen hätte.

Wie sieht ein Heiliger, eine Heilige aus?

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