Theologische Problemlösungen müssen der Anerkennung vorausgehen

26 October 2019

Kurt Kardinal Koch sprach zum Abschluss des internationalen Symposiums zur katholischen Sicht auf die Bekenntnisschrift Philipp Melanchthons von 1530.

Die ökumenische Bedeutung der „Confessio Augustina“ sei nicht zu unterschätzen, bestätigte auch Kurt Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Doch am Ende seiner Ausführungen machte der Vertreter der Kurie deutlich, dass einer Anerkennung der Bekenntnisschrift, die von Philipp Melanchthon für den Augsburger Reichstag 1530 formuliert wurde, von Seiten seiner Kirche die Lösung grundlegender theologischer Probleme vorangehen müssten.

Verfasst hatte der Brettener Reformator den Text, um die Einheit der christlichen Kirche zu wahren, doch das Gegenteil war das Ergebnis. Der Kardinal hielt den Abschlussvortrag des dreitägigen internationalen Symposiums „Die Confessio Augustana im ökumenischen Gespräch“, das die Europäische Melanchthon-Akademie Bretten (EMA) gemeinsam mit der Universität Tübingen und dem Bildungswerk der Erzdiözese Freiburg in der Geburtsstadt Melanchthons abhielt. Die Tagung verfolgte das Ziel, dem ökumenischen Diskurs um die Schrift, die – aus historischer Perspektive betrachtet  – die Teilung der evangelischen und katholischen Kirche besiegelte, im Vorgriff des 500. Jahrestages des geschichtsträchtigen Ereignisses 2030 einen erneuten Impuls zu verleihen.

„Die Kirchen waren sich in Augsburg einander so nah wie später nie mehr“, betonte auch Kardinal Koch. Die „Confessio Augustana“ sei sogar ein „katholisches Dokument“ erläuterte der Kurienvertreter den Inhalt der Schrift. Gleich mehrfach sei an „Knotenpunkten“ des Textes das katholische Bekenntnis von der Einheit der römisch katholischen Kirche formuliert. Der Urheber habe seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, dass man den Glauben teile, die Unterschiede nur in den sogenannten „Missbräuchen“ liege. Es ging Melanchthon in Augsburg darum, davon ist Koch überzeugt, um Einheit und Erneuerung zu werben. Der historischen Abstand birgt indes für Koch die Problematik, die „Confessio Augustina“ zum Mittelpunkt der gegenseitigen Anerkennung zu machen. Mehre Bekenntnisschriften seien in der evangelischen Kirche gefolgt, die wesentlich polemischer angelegt waren als der Text Melanchthons. Er führte weiter aus, dass die „Confessio Augustana“ 1530 zeitbedingte und mittlerweile obsolete Aussagen traf. Die katholische Kirche habe sich mittlerweile tiefgreifenden Erneuerungen unterzogen und Inhalte, die dort als „Missbrauch“ bezeichnet würden, seien für die katholische Kirche nach wie vor legitime Frömmigkeitsformen. Im Hinblick auf die nachfolgenden, den Dissens der christlichen Kirche verschärfenden Bekenntnisschriften, vertrat der Kardinal die Ansicht, dass die Entscheidung der Anerkennung allein von lutherischer Seite getroffen werden könne. Das eigentliche Fundament der gegenseitigen Anerkennung könne nicht die „Confessio Augustina“ sein, schloss Koch seine Überlegungen zur Katholischen Kirche und der „Confessio Augustana“. Viel mehr appelliere diese an die beiden Kirchen, weitere Schritte zu unternehmen, einen tiefgreifenden Konsens zu finden. Damit gab er die Aufgabe an die theologische Wissenschaft beider Konfessionen weiter, die mit dem Symposium in Bretten den Anfang bereits gemacht hatte.

Diesen Fortgang des ökumenischen Dialogs weiter voranzutreiben, dazu forderte auch der Freiburger Erzbischof, Stephan Burger, im Anschluss an den Vortrag von Kardinal Koch auf. „Es geht hier nicht um Haltungen, sondern um Inhalt“, sagte er und nannte dies „die Wahrheit, der wir uns stellen müssen“. Die vorbildliche  ökumenische Wirklichkeit in seinem Bistum vor Augen stellte er fest: „Es kann neue Formen der Anerkennung geben – auch in der Unterscheidung“. Damit schloss er sich den Vertretern der evangelischen Kirche an. Dietrich Becker-Hinrichs, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Bretten, der als Gastgeber der Veranstaltung in der Stiftskirche sprach, sieht in der ökumenischen Diskussion Schritte für eine Einheit der christlichen Kirchen. Für Traugott Schächtele, Prälat der Evangelischen Landeskirche, der hervorhob, dass die „Confessio Augustana“ eine der Bekenntnisschriften der badischen Landeskirche sei, betrachtete die Auseinandersetzung mit deren Inhalten als „Ausloten der theologischen Bindungskraft“ derselben. Martin Wolff, Oberbürgermeister der Stadt Bretten, die mit der Trägerschaft der EMA die Ökumene zu einem zentralen Thema gemacht hat, sieht im Nachklang der gemeinsamen Würdigung des Reformationsjubiläums und der nun folgenden Beschäftigung mit den ökumenischen Möglichkeiten der Bekenntnisschrift Melanchthons im Vorfeld des Gedenkens an die „Confessio Augustina“ in knapp zehn Jahren einen „wichtigen Schritt für die Kirchen“, der mit dem Symposium in Bretten einen neuen Anfang nahm.

 

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